Trayvon Martin, Diren Dede, Oscar Pistorius – diese Namen verbindet, dass sie für drei ausländische Gerichtsverfahren stehen, die in Deutschland eine enorme mediale Aufmerksamkeit erfuhren. Auffällig ist dabei, dass sich die deutsche Öffentlichkeit mit allgemeinen strafrechtstheoretischen Fragen auseinandersetzte, die sich im Kontext einer fremden Rechtstradition stellten: In den Fällen der getöteten Jugendlichen Trayvon Martin und Diren Dede wurde das amerikanische Notwehrrecht mit dem deutschen verglichen, über den Fall des Oscar Pistorius schrieb Lüderssen in der F.A.Z. vom 16.10.2014, dass „zwei Irrtumskonstellationen gleichsam miteinander verschraubt“ waren, was – übertragen auf den deutschen Kontext – eine „kleine dogmatische Sensation“ war.

Die Vorlesungsreihe „Anglo-American Criminal Law and Justice“ nimmt das wachsende Interesse an der anglo-amerikanischen Strafrechtstheorie zum Anlass, Konzepte und Grundlagen des anglo-amerikanischen Straf- und Strafprozessrechts eingehend zu beleuchten und vor allem Unterschiede zur deutschen Strafrechtstheorie herauszuarbeiten. Das Strafrecht des Common Law war lange Zeit theoretisch kaum systematisiert und daher für die Strafrechtsdogmatik von geringem Interesse. Das lag vor allem an der Hauptrechtsquelle des Fallrechts und der Beschränkung des Gesetzgebers auf die Konsolidierung oder punktuelle Korrektur der Rechtsprechung. Inzwischen deutet sich jedoch ein grundlegender Wandel an: Im modernen englischen Rechtssystem ist das Gesetzesrecht in vielerlei Hinsicht aus dem Windschatten des Case Law herausgetreten. Zwar gleicht das englische Strafrecht dadurch heute einem Mosaik aus zahlreichen Einzelgesetzen, die durch die allgemeinen Rechtsprinzipien des Common Law zusammengehalten werden. Erfreulicherweise führte dies aber auch zu einem neuen Selbstbewusstsein der Wissenschaft, die nun die Chance und Notwendigkeit erkannte, „durch eine vertiefte Dogmatik und Strafrechtslehre auch für eine systemgerechte Rechtsprechung und eine homogene Gesetzgebung die entscheidenden theoretischen Vorarbeiten zu leisten“ (Eser).

Die Vorlesungsreihe „Anglo-American Criminal Law and Justice“ knüpft an eine frühere, aus Studienbeiträgen finanzierte Veranstaltung zum englischen Strafrecht aus dem WiSe 2008/09 an, die von unserer Abteilung organisiert wurde. Sie beginnt im SoSe 2015 und wird über mehrere Semester laufen; pro Semester sollen zwei bis drei Vorträge (jeweils Dienstag, 18 h), in der Regel in englischer Sprache, stattfinden. Die Reihe soll sowohl die allgemeine (studentische) Öffentlichkeit als auch die Doktoranden ansprechen. Als studentische Unterstützung konnte ELSA Göttingen gewonnen werden. Zunächst sollen führende Strafrechtslehrer aus England zu Wort kommen, zu einem späteren Zeitpunkt sollen auch US-amerikanische und kanadische Kollegen/-innen eingeladen werden. Sie werden die anglo-amerikanische Strafrechtstheorie aus verschiedenen Perspektiven darstellen und dadurch nicht nur zu ihrem besseren Verständnis beitragen, sondern auch unser Wissen weit über die hiesige Diskussion der Rechtsfragen in Trayvon Martin und Co. erweitern.
 

Koordination: Dr. Alexander Heinze (This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.)